Die Kommentare der Sonntagspresse zum gestrigen Spiel:
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Sion dank Saborio
Die Young Boys vergaben im Tourbillon zu viele Chancen
Italienisch elegant stand Alberto Bigon in Anzug und Kabinengang und erklärte,man hätte auch 4:2 statt 2:0 gewinnen können. Wie bitte? Es war – nimmt man diese Version für bare Münze – aus Walliser Sicht das bestmögliche Szenario plus Fantasie.
«Bitter» nannte YB-Stürmer Häberli die Niederlage, «alles, was möglich war, lief gegen uns», sagte er gesenkten Hauptes und Trainer Martin Andermatt doppelte mit der Bemerkung nach, dass «wir heute zwei Stunden hätten angreifen können, es wäre uns kein Tor gelungen». Ungefähr zehn gute Chancen hatten sich die Berner erarbeitet, es wäre bei mehr Effizienz möglich gewesen, Sion im Kampf um die Qualifikation für den Uefa-Cup frühzeitig zu distanzieren.
Schon Saborios Saisontreffer 11 und 12 für die Walliser
«Alles, was möglich war, lief gegen uns.» Das waren allem voran die Gegentore, die YB einstecken musste. Nach einer Viertel- stunde schoss Saborio knapp innerhalb des Strafraumes, Goalie Wölfli vermochte den Ball nicht festzuhalten und langsam rollte dieser über die weisse Linie – 1:0. Und nach einer Stunde schnappte die Abseitsfalle der Berner nicht zu, Saborio war erneut der Profiteur, diesmal zum 2:0 mit seinem 12. Saisontor.
Die Reise ins Wallis ist für die Mannschaften der Super League immer auch eine Reise in die taktische Vergangenheit. Trainer Bigon, fussballerisch durch und durch in italienischen Dimensionen denkend, liess Kali und Nwaneri im Tourbillon gegen Marcos und Häberli Manndeckung spielen, und mindestens zu fünft waren Sions Abwehrspieler immer. Der Höhepunkt der taktischen Reise rückwärts war Bigons Massnahme, in der 66. Minute, den zweifachen Torschützen Saborio durch Verteidiger Sarni zu ersetzen. Es war endgültig die gestalterisch offensive Verweigerung.
«Was hätte ich machen sollen? », fragte Bigon mit dem Blick eines Unschuldslamms, «YB hat doch offensive Leute ins Spiel gebracht.» Dass Saborio Sions einziger Stürmer war, müsste eigentlich nicht mehr explizit Erwähnung finden.
Bigon hatte dann aber noch ein paar Worte über das Spiel hinaus parat, die seine taktischen Dispositionen in mildernde Umstände hüllten. Es sei das dritte Spiel in sechs Tagen gewesen, und überhaupt, es sei ihm ein Rätsel, wie die Liga einen Finish in der Meisterschaft mit sechs Spielen in 18 Tagen organisieren könne.
Wie auch immer: YB ist mit der Niederlage die Serie los, 12 Spiele en suite in der Super League nicht mehr verloren zu haben, und hat gleichzeitig und unfreiwillig die Serie aufrechterhalten, im Tourbillon seit dem 16. Mai 1986 nicht mehr zu gewinnen. Beides hätte nicht sein müssen.
BERNHARD BRUNNER
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Bigon will Punkte, keine Schönheit
Der defensiv eingestellte FC Sion gewinnt gegen YB sehr, sehr glücklich 2:0
Mit dem Erfolg kommen die Walliser bis auf zwei Punkte an einen Uefa-Cup-Platz heran.
Peter B. Birrer, Sitten
Alberto Bigon, der Trainer des FC Sion, ist ein eleganter Herr. Hinter ihm sind Gesänge der Anhänger zu hören. Er begrüsst lächelnd die Anwesenden und sagt, dass «alle Zuschauer, diejenigen aus Sitten wie aus Bern, mit dem Bild eines guten Matches im Kopf nach Hause gehen». Bigon, der vor zehn Jahren gleichenorts das dem FC Sion die Sinne vernebelnde Double gewann, hat in diesem Moment gut reden. Die Walliser siegen 2:0 gegen YB und rücken damit in der Tabelle bis auf zwei Punkte an den Gegner heran. Aber bitte kein Wort darüber, mit welchen Mitteln der Erfolg erreicht worden ist.
Für Ästheten des Offensiv-Fussballs muss es grausam gewesen sein. «Bigon kennt den Sturm-und-Drang-Fussball nicht», hatte der «Walliser Bote» zuvor geschrieben. Der Trainer ging das Spiel gegen YB, im eigenen Stadion und vor 13 800 Personen, denn auch mit einem eisernen Defensivkonzept an und wurde seinem Ruf gerecht. Als sein Team nach einer Stunde glücklich 2:0 führte, ging er noch weiter. Er holte den zweifachen Torschützen Saborio vom Rasen und stellte auf eine Art 1:8:2-System um. Nur Obradovic und Carlitos hatten vorne Auslauf. So gewinnt man keine Schönheitspreise, aber Punkte.
Die Berner hätten es trotzdem in der Hand gehabt, ihre im Tourbillon seit 1986 sieglose Serie zu unterbinden und die jetzige Serie (seit zwölf Spielen ohne Niederlage) fortzusetzen. Aber sie machten Geschenke. Der YB-Goalie Marco Wölfli hielt in der 15. Minute einen Saborio-Schuss nicht fest - 0:1. Und nach 59 Minuten enteilte Saborio der aufgerückten YB-Abwehr - 0:2. Vorher und nachher versagten die Berner vor dem gegnerischen Tor. Mindestens acht beste Torchancen verwerteten sie nicht, einmal deren vier innert sieben Minuten (Marcos, Marcos, Kallio, Häberli). Dazu traf Häberli einmal das leere Tor nicht und einmal nur die Latte, Yapi wurde in extremis gestoppt, und auch Shi Jun schoss darüber.
Es war kaum zu glauben. Eigentlich hätte Bigons Taktik mindestens mit einem Punktverlust bestraft werden müssen. «Wir hätten noch zwei Stunden ohne Tor weiterspielen können», haderte der YB-Trainer Martin Andermatt, der auf die gesperrten Yakin und Varela verzichten musste. Doch Spieler wie Hochstrasser und Kavak boten den Wallisern in der intensiven Partie Paroli. Eines konnte man auch Letzteren nicht vorwerfen: dass sie ihren Körper nicht einsetzten. Der Wille (zur Abwehr) und Einsatz waren vorhanden.